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Fieberkrämpfe bei Kindern – Sorgen und Ängste danach (Teil3)

Fieberkrämpfe bei Kindern – Ist nach dem Krampf vor dem Krampf?

Nachdem Eltern einen Fieberkrampf bei ihrem Schützling miterlebt haben, steckt vielen noch lange der Schreck in den Knochen. Während das Erlebte langsam „verdaut“ wird und der Alltag wieder in Gang kommt, wird eine Frage mit Sicherheit immer wieder kommen:
War es das jetzt oder haben wir einen weiteren Krampfanfall zu befürchten?

Dabei ist es ganz egal, ob es sich um den ersten, zweiten oder schon um mehrere Anfälle handelt. Diese Ungewissheit ist zermürbend. Sorgen und Ängste mogeln sich in den Alltag.

Bei uns war die Zeit zwischen den beiden Krampfanfällen mit nur sechs Wochen sehr kurz. Wir kamen gar nicht dazu, das Erlebte zu verarbeiten. Ich erinnere mich jedoch, dass wir in den ersten Tagen und Wochen nach dem ersten Fieberkrampf, wie die Schießhunde über dem Kleinen gewacht haben. Jede Regung, die auch nur ein bisschen anders war als sonst, trieb uns den Puls bis zum Anschlag. Ständig hatten wir das Fieberthermometer in der Hand. Nur um ganz sicher zu gehen. Es ging sogar soweit, dass wir ohne Thermometer und fiebersenkende Mittel nicht das Haus verließen.

Das Notfallmedikament war eh überall griffbereit. Wir hatten es an sämtlichen Stellen deponiert:

  • im Kita-Rucksack
  • in der Handtasche
  • in der Kita
  • später im Kindergarten
  • bei Oma und Tante
  • im Kinderzimmer (an einem sicheren Ort)
  • in der Küche
  • im Arzneischränkchen

Nach dem zweiten Fieberkrampf, stellten wir uns vorsichtshalber darauf ein, dass wir ein Kind haben, das ggf. zu Fieberkrämpfen neigt. So zumindest formulierten es die Ärzte vorsichtig. Es muss nicht, kann aber sein. Jeder Arzt weist verständnisvoll darauf hin, dass man sich dennoch nicht verrückt machen sollte. Es könne genauso gut sein, dass mit der zweiten Geschichte alles überstanden ist.

Nach einem Anfall wirst du von den Ärzten intensiv beraten und weißt dann:

  • Ein Fieberkrampf bei Kindern ist nichts Schlimmes, auch wenn es
    bedrohlich aussieht.
  • Du kannst einen erneuten Krampf nicht verhindern.
  • Fieberkrämpfe ereignen sich fast immer im Fieberanstieg und meistens
    am ersten Tag einer fieberhaften Erkrankung.
  • Da ein Fieberanstieg in aller Regel nicht vorhersehbar ist, sollst du dich
    und dein Kind nicht mit häufigem Fiebermessen „verrückt“ machen.

Soweit die Theorie! Und in der Praxis?

Es bleibt diese Ungewissheit.
Es bleibt die permanente Angst vor weiteren Anfällen.
Du machst dir Sorgen, sobald irgendwelche Krankheiten in der Kita oder in der Familie umgehen.

Unser Motto: Wir müssen zwölf Monate ohne Krampfanfall schaffen

Erstmal 12 Monate überstehen, das hatten wir als großen Meilenstein vor unseren Augen. Laut Statistik nimmt das Risiko für weitere Fieberkrämpfe bei Kindern dann ab. Wir könnten dann etwas gelassener sein. Aber bis das eine Jahr um war, blieben wir in ständiger Alarmbereitschaft.
fahne1In Summe waren die ersten 1,5 Jahre nach den Anfällen von hoher Anspannung und Angst geprägt, sobald sich ein Infekt ankündigte. Wie viele Kleinkinder, schleppte auch unser Sohn häufig Krankheiten an. Unsere Nerven wurden daher ziemlich oft auf die Probe gestellt. Bereits ein kleiner Schnupfen reichte aus, um uns in Unruhe zu versetzen.

Uns war sehr wohl bewusst, dass wir mit Sicherheit übertrieben reagierten. Wir merkten auch, dass wir uns langsam aber sicher zu Helikoptereltern entwickelten. Das war uns in dieser Zeit aber schlicht und ergreifend egal. Nur dieses eine Jahr! Wenn wir das geschafft haben, können wir wieder entspannter mit allem umgehen.

Sobald der Kleine auch nur ein wenig erhöhte Temperatur hatte, war bei uns Alarmstufe Rot angesagt:

  • Entgegen der Ratschläge der Ärzte liefen wir ständig mit dem Fieberthermometer
    hinter ihm her und kontrollierten permanent die Temperatur
  • Schon ab 38°C griffen wir anfangs sicherheitshalber zum Fiebersenker, später einigten
    wir uns auf 38,3° C als Obergrenze. ;-)
  • Einer schlief die ersten zwei Nächte immer bei Sohnemann.
  • In der Nacht stellten wir uns stündlich den Wecker, um zu schauen,
    wie es ihm geht und natürlich, um Fieber zu messen.
  • Wir führten Protokoll mit den Zeiten, wann wir welchen Fiebersenker gaben und wieviel
    Temperatur er hatte (im Notfall wäre das auch hilfreich für das Ärzte-Team gewesen)

Ich weiß noch, dass ich ganz zu Beginn beim Temperatur messen stets Panik vor dem Ergebnis hatte. Ich wollte nicht hinschauen und habe oft meinen Mann gebeten, dass er das Messen übernimmt.
smiley-traurig-pngKam dann die Info, dass er Fieber hatte, stand der Alltag sofort still. Ich hatte Herzrasen, fing an zu zittern und gerade anfangs liefen oft auch Tränen, weil ich panische Angst vor den nächsten Stunden hatte. Nie vor meinen Söhnen, ich zog mich in solchen Situationen immer zurück und mein Mann übernahm die ersten kritischen Stunden das Ruder. Es zählte dann nur noch, die nächsten zwei Tage krampffrei zu überstehen.

Darüber hinaus haben wir vieles geändert, was für uns vorher ganz selbstverständlich war:

Wir verzichteten auf Familienurlaub im Ausland bis unser Sohn viereinhalb Jahre alt war.

  • Wir fuhren getrennt in den Urlaub, wenn der große Sohn mal ans Meer wollte.
  • Der Große ging mit ca. zwei Jahren immer mal wieder für eine Woche zum Opa,
    der 800 km weit weg wohnt – das war uns für den Kleinen zu risikoreich.
  • Stattdessen blieb immer einer von uns bei ihm, wenn er zum Opa wollte.
  • Ein Schnupfen beim Kleinen reichte aus, um Verabredungen oder Vorhaben
    außer Haus abzusagen oder es ist nur einer von uns hingegangen.
  • Wir haben ihn vorbeugend daheim gelassen und nicht in die Kita gegeben,
    sobald er einen müden oder kränklichen Eindruck machte.
  • Oft haben wir ihn länger als vom Arzt empfohlen daheim gelassen,
    nur um ganz sicher alles auskuriert zu haben.
  • Wir saßen viel öfter beim Arzt als nötig, dass gab uns einen Hauch von Sicherheit.

Wann können wir aufatmen und wieder normal mit Infekten umgehen?

Bei jeder Erkrankung rechneten wir zurück. Wie viele Monate sind seit dem letzten Anfall vergangen? Wie viele Monate sind es noch bis zum ersten Jahr danach?

Als das erste Jahr endlich geschafft war, stellte sich jedoch nur ganz bedingt Erleichterung ein. Ich hatte noch die Zahlen im Kopf, das Fieberkrämpfe bei Kindern typischerweise im Alter zwischen sechs Monaten und fünf Jahren auftreten. Besonders häufig sind sie laut Statistik zwischen dem ersten und dritten Lebensjahr. Grund genug, um weiter Vorsicht walten zu lassen. Das nächste Etappenziel war also der dritte Geburtstag.
fahne2Selbst nach dem dritten Geburtstag gingen wir noch nicht zur Normalität über. Der letzte Anfall lag eineinhalb Jahre zurück, der Kleine war drei Jahre alt, aber in unseren Augen hatten wir die Gefahrenzone noch immer nicht verlassen. Es hieß ja, Fieberkrämpfe bei Kindern sind typisch bei Kindern bis fünf Jahren. Also nochmal zwei Jahre, in denen theoretisch etwas passieren konnte.
Wir wollten weiterhin bis zum 5. Geburtstag wachsam bleiben.
fahne3Was nach dem dritten Geburtstag langsam weniger wurde, war das stündliche Fiebermessen in den ersten zwei Nächten einer Erkrankung. Wir erweiterten es sukzessive auf zwei, drei, später vier Stunden – die Zeit, die zwischen der Gabe der zwei Fiebermitteln liegen muss.

Wir wurden mit der Zeit auch mutiger bei der Frage, ab wann wir zum Fiebersenker greifen und tasteten uns auf 38,5°C bis 38,7°C vor, später sogar auf 38,8°C. Wir stimmten uns oft immer noch telefonisch oder per Textnachricht miteinander ab, zu welchem Zeitpunkt wir ein Fiebermittel einsetzen wollten. Auch das permanente Kontrollieren tagsüber reduzierten wir nach und nach, obwohl uns das wirklich schwer viel. Wir hatten in diesem Bezug eine echte Macke entwickelt, die wir uns nicht von heute auf morgen abgewöhnen konnten. Besser einmal zu viel, als einmal zu wenig.

Erst mit dem fünften Geburtstag des Kleinen, sind wir sehr viel relaxter. Wobei hinzukommt, dass der Zwerg sehr viel seltener krank wird, als das noch als Kleinkind der Fall war. Unseren Hubschrauber haben wir abgestellt und steigen nur noch selten ein, um damit im Fieberfall unseren Sohn zu umkreisen. ;-)

Angst- und Sorgenfrei sind wir in Bezug auf Fieberkrämpfe bis heute nicht. Ich fragte unsere Kinderärztin, ob wir mit dem fünften Geburtstag nicht endlich über den Berg sind. Sie sagte mir ehrlich, dass sie mir das nicht versprechen kann. Die Wahrscheinlichkeit für weitere Krämpfe ist als sehr gering einzustufen, aber eine Garantie kann Sie mir dennoch nicht geben. Ausnahmen gibt es schließlich immer. Hm, war es das, was ich hören wollte? Nein, natürlich hatte ich mir die 100%-ige Garantie dafür erhofft, dass wir ein für alle Male Ruhe haben. Wir sind also weiterhin vorsichtig und das mulmige Gefühl bleibt.

Deshalb lassen wir uns nach wie vor jedes Jahr das Notfallmedikament verschreiben, achten auf ausreichend fiebersenkende Mittel im Haus und sind noch immer ein wenig in Sorge, wenn Fieber in Richtung 39°C marschiert. Nichts im Vergleich zu den Jahren zuvor, aber ein bisschen Anspannung begleitet uns einfach weiter.

Fieberkrämpfe bei Kindern zu verarbeiten, ist für Eltern nicht leicht

Rückblickend haben diese beiden Erlebnisse doch sehr tiefe Spuren bei uns hinterlassen. Die ersten anderthalb Jahre haben wir uns nie wirklich mit dem Thema auseinandergesetzt, sondern funktionierten in den für uns brenzlichen Momenten einfach nur.

Wir besprachen das Ganze anfangs zwar in der Familie und mit Freunden, aber so richtig verarbeitet, hatten wir es nicht.

Im Bekanntenkreis gab es eine Familie, die vor uns ebenfalls diese Erfahrung mit ihrem Sohn machen musste. Meine erste Frage war: „Was habt ihr in dem Moment gedacht, als es passierte?“
Die Antwort: „Wir dachten er stirbt!“

Wie ich jetzt gelesen habe, ergeht es ca. 80% der Eltern genauso. Für manche nimmt es sogar traumatische Züge an. Auch wenn es in letzter Instanz nicht gefährlich ist, aber allein auch nur kurz das Gefühl zu haben, dass dein Kind stirbt, ist etwas, was man seinem ärgsten Feind nicht wünscht.

Wie tief das Ganze eigentlich wirklich saß hatte ich erst gemerkt, als ich gut 1,5 Jahre nach den Fieberkrämpfen einen Artikel zum Thema las. Ich zögerte erst und wollte mich damit nicht beschäftigen, las dann aber doch. Plötzlich waren alle Bilder wieder da und ich konnte mich nur schwer beruhigen. Ich recherchierte danach ein wenig und fand den Hinweis zu einer Facebook Gruppe. Ich meldete mich dort an und fand den Austausch unter den Eltern zunächst sehr hilfreich, auch wenn ich nur stille Mitleserin war.

Später habe ich jedoch gemerkt, dass ich nicht gut damit umgehen konnte, wenn betroffene Eltern von ihren Kindern berichteten, die fünf und mehr Anfälle hatten. Dagegen kam mir unser Erlebnis schon fast lächerlich vor. Noch schlimmer war für mich zu lesen, dass Kinder selbst im Schulalter noch damit zu tun hatten. Ich weiß, dass es Ausnahmen sind, aber in der Gruppe kam es gefühlt sehr häufig vor. Ich finde es sehr gut, dass es solche Gruppen gibt, denn es wird vielen Eltern sehr hilfreich sein. Mich machte es mehr und mehr nervös, so dass ich nur noch ganz selten mal vorbei geschaut habe. Da sollte jeder für sich schauen, was einem gut tut und was nicht.

Mein Mann kann bis heute nicht wirklich darüber sprechen. Wenn das Thema zufällig irgendwo angesprochen wird, geht er weg oder bittet darum, dass Thema zu wechseln.

Was wir trotz allem aus den Erlebnissen mitgenommen haben

Uns wurde vor Augen geführt, wie schnell sich doch das ganze Leben ändern kann. Von einer Sekunde auf die andere kann alles anders sein. Dabei ist es egal ob das jetzt ein Fieberkrampf, eine schwere Krankheit, ein Unfall oder sonst etwas ist. Du stehst von jetzt auf gleich vor einer komplett neuen Situation. Prioritäten verschieben sich ad hoc und du wirst damit konfrontiert, dass einfach nichts im Leben selbstverständlich ist.

Letzten Endes war es „nur“ ein Fieberkrampf“. Er hat uns aber gezeigt, wie kostbar die Gesundheit ist und wie schnell sich das Blatt jederzeit drehen kann.

Wir schätzen es mehr denn je, dass wir in Summe zwei kerngesunde Kinder haben. Wir haben allergrößten Respekt vor den Eltern, die schwerkranke Kinder haben oder sich tatsächlich mit dem Tod Ihres Kindes auseinandersetzen müssen. Wir wurden nur Sekunden mit dem Gedanken in Berührung gebracht und es bleibt nur zu erahnen, was Eltern zu tragen haben, bei denen es um weitaus Schlimmeres geht, als einen Krampfanfall.

Gerade in Momenten, wenn wir unsere Kinder als anstrengend wahrnehmen, schauen wir uns an und sagen uns: „Vielleicht sind sie im Moment anstrengend, aber sie sind gesund und wir dürfen uns glücklich schätzen, dass wir sie so erleben dürfen.“

Dafür sind wir wirklich dankbar.

liebe-gruesse-2H e i k e  A d e l s b a c h

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